Von Schweden zu Dänen

Veröffentlicht: Oktober 28, 2010 in Literatur
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Ausgelesen: Jussi Adler Olsen – Schändung

Olsens Bücher, die sich auf immer mehr Bestsellerlisten finden und langsam Stieg Larsson nacheifern, sind eigentlich auch eine Preiskategorie, die ich völlig überflüssig finde. Großformatige Taschenbücher oder Wabbeleinbände im Hardcoverformat? Haben diese neuen Bücher einen Namen, die für rund 15 Euro über Ladentische gehen und nichts sind, ausser einem Kompromiss? Gern würde ich 5 Euro sparen und ein Taschenbuch in den Händen halten. Für ein Hardcover würde ich auch einen Fünfer drauf legen, aber ähnlich wie bei Murakami weigerte ich mich lange aus Prinzip, dieses Format zu kaufen. Nun bekam ich „Erbarmen“ geschenkt, dann liest man es auch. Das Geld wurde ja bereits ausgegeben.

Es war nicht einfach, mir eine finale Meinung von diesem Buch zu machen. Da ich nahezu alle mir attraktiv erscheinenden schwedischen Kriminalautoren durchgelesen hatte, war es an der Zeit, sich auf eine neue Umgebung einzulassen. Von der Umgebung hat man gar nicht so viel gemerkt, andere typisch skandinavische Stilelemente umso deutlicher. Ein mürrischer Ermittler zum Beispiel, natürlich mit Figur- und Frauenproblemen. So weit, so sympathisch. Die Geschichte war etwas fern meiner mörderische Vorstellungskraft und vor allem der unkonventionelle Weg des Hilfsarbeiters war mir etwas zu abstrus. Dennoch war es flüssig zu lesen – ein gutes Geschenk also, liebe Lieblingsschwester. Danke.

Lange dachte ich nicht weiter daran, bis die allgemeine Panik einsetzte, die mir das Gefühl vermittelt, nichts mehr zu lesen zu haben. Natürlich stehen hier einige Regalmeter Klassiker, an die ich mich (wieder) wagen könnte und einige ungelesene Reclams, aber auch wenn ich nach ehrlicher Betrachtung feststellen muss, locker ein Dutzend ungelesener Romane im Schrank zu haben, ist das schon der Moment, an dem ich das Nachschubbedürfnis befriedigen muss. Diesmal traf es, der Amazonempfehlung sei Dank, wieder Olsen, den ich im Geschäft oder nach gründlicherem Nachdenken als dem einen Klick bestimmt nicht gekauft hätte.

Gut, dass ich es tat, denn der Inhalt war ansprechend. Assad, der aufdringliche Möchtegernhilfssherrif entwickekt sich zu einer sympathischen Figur mit klugen Gedanken und nachvollziehbareren Kulturdifferenzen als im ersten, eher überzogenen Band. Eine aufgeplüsterte Sekretärin rundet das Bild ab, wenngleich ich mir gewünscht hätte, dass es länger gebraucht hätte, sie zu brechen. Die eigentliche Story ist auch etwas unwahrscheinlich aber durchaus spannend und daher keiner besonderen Erwähnung wert. Interessant bleibt dabei nur die Umsetzung von Schuld und Moral und die Erkenntnis, wie subjektiv beides empfunden werden kann, aber das wusste ich zuvor bereits. Dennoch keine üble Umsetzung!

Der Unterschied zwischen Stieg Larsson und Jussi Adler Olsen liegt vor allem darin, dass Olsen noch lebt und getrost die übliche Anzahl Krimis auf dem Markt werfen kann, wenn er will. Wie man sie vermarktet scheint er bereits zu wissen und ich fürchte, wenn im Sommer Band 3 erscheint, werde ich wieder schwach werden. Die Art der Titel in deutscher Übersetzung sieht bei beiden ähnlich aus, wenngleich sie nicht die gleichen Übersetzer haben. Keinesfalls will ich beide vergleichen, aber bei Olsen verstehe ich etwas besser den Bezug des krachenden Einworttitels als bei Larsson.

Kommentare
  1. Würde man Herrn Olsen als Heftromane vertreiben, wie mag der unvoreingenommene Leser dann wohl urteilen?
    Umgekehrt brachte es manch routinierter Heftromaner im Hardcover zu Ruhm und Ehre: Endlich nicht mehr vierzig Seiten am Tag runterschreiben, sondern nur zehn. Und für den Plot darf man sich jetzt gerne zwei, drei Wochen Zeit lassen. Charaktere derart verdichten, dass die Leser nicht erst nach fünfzig Heften um sie trauern.
    Vielleicht ist Literatur tatsächlich eine Frage einiger arbeitsfreier Tage mehr.

  2. mentizidal sagt:

    Wenn ich nur jemals Heftromane gelesen hätte. Genau wie Zeitungsfortsetzungen entspricht das kaum meiner Ungeduld.

    • Heftromane sind die Autobahnpolizei des gedruckten Fernsehens. Geduld braucht dort niemand haben, zwei- oder dreiteilige Episoden bleiben eher die Ausnahme. Gerade auch der wöchentliche Nachschub sollte ungeduldige Naturen ansprechen.
      Eher ist es wohl so, dass für die Veröffentlichung als Hardcover Längen eingearbeitet werden müssen. Für zwanzig Euro darf es beim Date nicht gleich zur Sache gehen. Mindestens ein Kapitel muss zuvor mit herrschenden Moralvorstellungen gerungen werden. Der Escort Service des Konsums.

      • mentizidal sagt:

        Natürlich braucht es Geduld, liest man in-time mit, da die Veröffentlichung ja nach und nach geschieht; lese ich schneller, muss ich auf die Fortsetzung warten. In Romanen ist der Plot zumeist in sich geschlossen – selbst bei Serien. Das macht es leichter.

  3. entchen sagt:

    Die deutschen Titel der Bücher von Larsson sind keine Übersetzungen der Originaltitel. Im Original haben sie mehr als ein Schlagwort und passen deutlich besser zum Inhalt der Bücher.
    Erbarmen von Olsen hängt bei mir noch in der Warteschleife, bin aber schon sehr gespannt, ob das Buch meine Erwartungen erfüllen wird.

    • mentizidal sagt:

      Dass es sich um veränderte Übersetzungen handelt ist mir, die ich zumindest ein wenig Schwedisch verstehe (sprechen ist zu viel gesagt), durchaus bewusst, ich dachte, ich hatte das deutlich machen können. Mir scheint, diese „Schlagworttitel“ sind einfach gut an den Mann zu bringen, verkaufsfördernd, weil sie metaphorisch der Faustschlag ins Gesicht sind. Die Originaltitel gefallen mir übrigens auch besser, da mag ich Dir gern zustimmen. Viel Spass beim Lesevergnügen Olsen – ich wünsche Dir, dass es ein solches wird!

  4. Steffen sagt:

    Ich denke und befürchte, man (der Verlag, er selber, die Medien?) versucht ihn als Sukzessor von Stig Larrson aufzubauen und vor allem zu vermarkten. Stig hat kommerziell alles übertroffen, was bisher an Literatur aus Sakandinavien kam. Leider ist er tot und kann nur noch bedingt gemolken werden. Also brauchts was Neues.
    Die Vermarktung wie die deutschen Titelübersetzungen deuten bei Olsen auf so etwas hin, was sehr schade ist. Er ist nicht Larrson und aus meiner Sicht auch schlecht zu vergleichen, zu unterschiedlich sind der Stil und die Welten.
    Mal sehen, wie es weiter geht.

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