Ein von Skorpio gesendeter Text verheißt mir einen Besucherrekord des Mera Lunas von 24.000 Menschen. Als ich 1998 das damals noch Zillo heißende Festival des Hildesheimer Flugplatzes besuchte, waren rund 16.000 Personen anwesend. 24.000 klingt dagegen viel, aber ich habe eine Erinnerung, dass die HiAZ vor einiger Zeit schon einmal von dieser Zahl sprach.

Manche Dinge ändern sich, andere nie.
Die Bühne stand dieses Jahr ein wenig anders ausgerichtet, so dass ich nach 13 Jahren von meinem Lieblingsplatz nicht mehr sehen konnte, aber die andere Seite ist auch akzeptabel. Aus Duisburg lernte man vermutlich dass man Ein- und Ausgänge trennen soll und auch wenn der Einlass manchmal aussichtslos im Hanger schieb, gefiel mir das neue System besser.
Früher wollte ich nie zelten, jetzt reiste ich bereits Freitag Nachmittag an um Freitag den schönsten Festivaltag zu haben. Drei Festivals pro Jahr sind mit Sicherheit zu viel und das Line Up versprach zu wenig Reize. Egal, Macht der Gewohnheit.
Als der erste Sektkorken knallte, wusste ich, angekommen zu sein. In der nächsten Parallelwelt, der nächsten Alltagsflucht. Wo man sich beim WGT ständig verpasst, beim Amphi schon ein paar Dutzend bekannter Gesichter traf, stellte ich beim Mera Luna fest, dass eine Mischung aus Heimspiel, jahrelangen Festivalbekanntschaften und Kontaktfreude auch stressen kann. Freitag also:
Sonne, Sekt und super Laune. Das Zelt stand schon, als ich anreiste, Essen wurde mir gekocht, ich konnte pilgern und schauen, wo andere der zahlreichen bekannten Gesichter waren. Als ich den Verlust von Simone schon gegen Mitternacht zu verzeichnen hatte, galt es mit den Überlebenden zu feiern. Mein selbsterklärter Aufpasser war schwierig abzuhängen und als ich ihn gebraucht hätte, ließ er mich gewähren, was unnötig war. Die letzten beiden Bier diesen Abend waren bestimmt Schuld daran, dass ich am kommenden Morgen einen Schädel hatte, aber ich danke insbesondere jenen, die sich zu später Stunde meiner annahmen und mir erklärten, dass es eine schlechte Idee sei, sich aus englisch-schwedischen Gesprächen winden zu wollen, wenn man als Ausrede sagt, tanzen zu wollen und die Frage, ob man Nitzer Ebb möge verneinte, weil man nicht begreift, dass eben jenes gerade läuft! Dumm gelaufen, aber jene Gehässigkeit hatte ich wohl verdient, wenn ich bedenke, was meiner losen Zunge am Folgetag entwichen ist. Sorry. Auch beruhigt es mich, dass sowohl Michi als auch Christian mich am Folgetag fragten, ob wir uns im Hanger gesehen hätten. Das zeigt mir, dass mein Alkoholkonsum noch halbwegs im Rahmen war. Immerhin weiss ich noch, dass ich zwei (unnötige) neue Telefonnummern im meinem Festival-Handy hatte. 😦
Der Samstag begann trübe und schlapp, die Nacht war kurz, der Morgen warm, der Kopf Matsch.
Mit Illuminate begann dann das eigentliche Festivals. Ich glaube, ich hatte mich seit 10 Jahren nicht mehr gefragt, ob es die noch gibt. Auf jeden Fall erträglicher als Lacrimosa kürzlich, die ich ähnlich lange nicht sah. Lacrimas Profundere hab ich gesehen, aber schon vergessen. Samsas Traum waren, ähnlich wie auf dem Amphi, besser als ich es früher empfand. Wäre da nicht diese egomanische Frontsau. Brendan Perry war sehr gut hörbar, beim WGT allerdings stimmungsvoller. Das Ich mal wieder putzig, wenn auch nicht sehr nachhaltig. Ganz große Scheisse war Unheilig, ich hatte sie noch nie komplett live gesehen und sollte es wieder nicht schaffen, es ödet mich zu schnell an. Damit begann der Samstag dann auch seinen negativen Lauf zu nehmen, denn dieser romantische Vollmist verdarb mir und meiner wachsenden Ungeduld schnell die Stimmung. Sisters waren auch exakt so wie erwartet: nebelig! Aber dass das nicht meins ist, wusste ich auch vorher. Trauriger war, dass der erhoffte Abend keine Abwechslung brachte. Ich entschuldige mich bei denen, die ich in verzweifelten Partygesuchstelefonaten anmoserte bevor ich zeitig aber enttäuscht im Zelt lag, da ich keine adäquate Feierei (menschlich oder musikalisch) mehr fand. Alle waren in Zweisamkeit geflüchtet (sagte ich schon mal, dass ich Pärchen hasse?!), ausgeflogen oder müde, schien mir. Also: Schlafen. Erstmal.
Der Sonntag begann mit der schlechten Stimmung, die mich Samstag in den Schlaf brachte. Lagerkoller, Social Overkill. 2 Tage immerzu die gleichen Nasen sehen, wenn ich eben jene aus dem Zelt stecke: nein! Also was tun um kurz allein zu sein? Electro hören, dahin kommt bestimmt kein Unheilig-Freund mit.
Vorher The Other gesehen und mich erinnert, dass ich sie bereits vom WGT kannte. Wie konnte es schon wieder passieren, dass ich sie sah? Es war 11,35 Uhr.
Danach sprachunwillig, kontaktunwillig ab in den Hanger und mich zuballern lassen. Was bei Myspace noch öde klang war live durchaus brauchbar (Ambassabor 21), oder anders: Meine Stimmung war vernichtend genug, das genau richtig zu finden. Sogar Punish Yourself hörte ich mir danach an. Zelt abbauen, den letzten Sektkorken knallen lassen und Stimmung steigern. Es ging so langsam wieder, auch wenn diejenigen, die mich nach Zeraphine (selbst die sind 1000x hörbarer als Unheilig!) beim shoppen tragen. Dekadente 50 Cent ließ ich auf der Einkaufsmeile für einen großartigen Button: „Spießer“ – all die Klamottenstände brachten ja doch nichts Neues mehr. Da investierte ich das Geld lieber in Met, an dessen Stand man mich inzwischen kennt und meine Anschrift erbat um mir einen neuen „METchen“ –Button schenken zu können. Ja, so macht man mich glücklich. 69 Eyes plätscherten so dahin und sahen aus der Ferne wenigstens gut aus. Der Hanger war mir zu stickig und voll, weswegen ich mit einer gewissen Gleichgültigkeit draußen blieb um festzustellen, dass die Editors auch nicht meins sind. Angenehm im Hintergrund aber nichts, was ich live brauche.
In Extremo habe ich bestimmt schon fast 20x gesehen und musste mich gestern, nach mehrjähriger Pause, fragen, wie Dinge sich entwickeln können: Ich mag das einfach nicht mehr hören. Geht nicht mehr, also war es vorzuziehen, Menschen zu treffen.
Placebo erinnerten mich auch stark an ihren ersten Festivalauftritt beim Mera, wieder waren die Anzüge weiß und die Stimmung verhalten aber sympathisch. Ein Festival ging zu Ende und was bleibt ist die Freude auf Stille, Einsamkeit und Hygiene, die gebremst wird von der Erkenntnis, dass der Alltag einem auch nicht besser gefällt.
Warum kann man nie zufrieden sein, mit dem was man hat? Also ich kann es jedenfalls nicht.
Fazit: Mäßige Musik, einige nette Wiedersehen, wichtiger aber auch ein bisschen Zeit mit denen verbracht zu haben die man schätzt und manchmal zu selten sieht obwohl man sich sieht und keine fatalen Folgen.