Archiv für März, 2011

„Am Wochenende verkehre ich in der Regel mit niemandem. Ich bleibe zu Hause, räume ein wenig auf, kultiviere eine kleine Depression.“

Schon bei diesem Satz, der mir ausgesprochen sympathisch war, hätte ich ahnen können, was auf mich zukommt. Nachdem ich Elementarteilchen zugangslos bei Seite legte, dachte ich, so eine kurze Erzählung wäre eine gute Gelegenheit, dem Autoren abermals eine Chance einzuräumen, zumal mit einem Büchlein, was seinerzeit preis- und skandalträchtig war.

Lange las ich kein Buch mehr in unter zwei Stunden und ich hege den Verdacht, einzelne Passagen mit dem Auge gerafft zu haben, was schade ist, beherbergt es doch einige sprachliche Höhepunkte einfacher, klarer aber eloquenter Sprache. Mein Lesen ist abgebrüht genug um von der Aufforderung zum Lustmord nach gut hundert Seiten keineswegs geschockt zu sein, aber kurz überlegte ich, ob das einmal Punkt des Anstosses war.

Bis zu dieser Wendung hat mir das Lesen durchaus Freude bereitet, weil es mir meist Freude bereitet, semi-gescheiterte Existenzen an der Welt kranken zu sehen während sie noch ganz gut funktionieren. Wie weit das Scheitern bereits gediehen war, wurde mir erst im letzten Drittel bewusst. Nachdem man heute allerorts über Depressionen liest, habe ich die bildlich bis verständlichen Beschreibung des Fühlens des namenlosen Protagonisten leider zu wenig gewürdigt; Houellebecq lässt bedauerlicherweise sprachlich zu, im Schweinsgalopp durch die Seiten zu preschen.

Bestimmt ein Buch, was seiner Zeit voraus war und durchaus auch heute noch ein anständiges Stück Literatur, das trotz ihrer eigentlichen Schwere „mal schnell“ konsumiert ist. Es ist auch kein „Männerbuch“, wie ich zunächst dachte, es ist, auch wenn ich das beim Lesen noch nicht wusste, eine lesenswerte, kurze Geschichte über einen belanglosen Menschen in einer noch belangloseren Gesellschaft. Es hat mir gefallen.

Ausgelesen: Johann Theorin – Nebelsturm

Veröffentlicht: März 27, 2011 in Ausgelesen, Literatur
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„Das war ja wohl nicht nötig“, würde ich normalerweise nach solchem Buch denken, passte es nicht prima in einen Kanon von schwedischen Krimis, mit dem ich mich einst befasste.
Ein Krimi ohne klassisch ermittelnde Hauptperson, mit vielen losen Enden, die alle an den Aufklärung mitwirken, allerdings aus verschiedenen Gründen. Einsame Höfe, Großstädter mit Landflucht bringen urbane Probleme in die Einöde, Inhalte austauschbar.

Einzig eine spirituelle Vielfalt machte das Buch lesenswert für mich. Opfermoore, Totengedenken, Yoga, Geister, Wiedergänger, Bestattungen, Riten, Satanisten und Esoterik vieler Formen im ach so säkularen Schweden. Ein bisschen unter der zynischen Prämisse der Tristesse der Insel finden sich zahlreiche religiöse Anflüge auf den knapp 450 Seiten. Leider konnte ich die  wüste Reihung wenig ernst nehmen, es wirkt eher verkaufsorientiert als bedacht, wie stark diese Phänomen eingestreut sind – leider. Da hätte man weniger übertrieben sicherlich mehr erreicht.

Eigentlich ist es ein ganz geschickter Schachzug, dass es im Laufe der Geschichte (und der Geschichte in der Geschichte) zahlreiche Tote gibt, aber augenscheinlich keine Morde und zahlreiche Interessierte aber kaum Ermittelnde und letztlich alles herauskommt, ohne dass man diese Aufklärung gesucht hat. Eigentlich ist es auch ganz spannend, Trauer und Einsamkeit mittels religiösen und psychischen Begebenheiten (oder deren Verwirrungen) zu erklären, würde es nicht im Ansatz stecken bleiben. Eigentlich könnte es ein besseres Buch sein.

Ein Wort.

Veröffentlicht: März 27, 2011 in Literatur
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Ein Wort, ein Satz -: aus Chiffren steigen
erkanntes Leben, jäher Sinn,
die Sonne steht, die Sphären schweigen,
und alles ballt sich zu ihm hin.

Ein Wort – ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,
ein Flammenwurf, ein Sternenstrich –
und wieder Dunkel, ungeheuer,
im leeren Raum um Welt und Ich.

Gottfried Benn

In Erinnerung an Dublin.

Veröffentlicht: März 23, 2011 in Persönliches
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In Erinnerung an Menschen.

Nach wie vor erinnere ich mich nicht genau, in welchem Jahr ich nach Dublin flog, ich könnte es nachschauen, aber es spielt doch kaum eine Rolle, ob es 2001 oder 2002 war. Es war mein erster Flug, das erste Mal, dass ich ein Land über den Luftweg verliess, eins der wenigen Male, dass ich das Land verliess, zu jener Zeit.

Auf dieser Reise führte ich ein „Tagebuch“, in dem ich nun gern blättern würde, doch das ist leider nicht möglich. Ich verschenkte es damals – mit Bedacht.

Die Entscheidung für die Studienreise vor dem Abitur fällte der Lehrer, der in unserem Englisch-Kurs (kaum zu glauben, dass ich einmal glaubte, Englisch und ich könnten Freunde werden) seine letzte Verwirklichung vor seiner Pension sah. So sehr wir über ihn lästerten, so ein guter Mensch war er auch, der uns keine Klausur zu schwer gestaltete und Wissen anbot, ohne zu dozieren. Wir sollten also sündhaft teuer nach Dublin reisen und er setze zu seiner Bequemlichkeit eine Flugreise durch. Dublin, seine Stadt der Städte. Bis zum vergangenen Wochenende waren die meisten Erinnerungen an diese Fahrt wie weggeblasen, aber nach und nach kamen sie zurück. Es wurde eine Reise aus dem Bilderbuch, mit Aktivitäten, die für junge Abiturienten zu attraktiv erschienen, es wurde seine Reise. Leider verstarb er wenige Tage vor Reisebeginn und wir mussten die Fahrt getrübter Stimmung allein antreten, kein anderer Lehrer konnte würdiger Ersatz sein.

Was in Dublin geschah, war für mich zweitrangig, denn an vieles entsinne ich mich nur schemenhaft. Wäre ich nicht dieses Wochenende durch die Stadt gelaufen und hätte mich erinnert gefühlt, beim Anblick des Trinity Colleges und des Book of Kelts, beim Rugbyspiel der Collegemannschaft, beim Flanieren durch die Strassen mit ihren hübschen Türen, beim überqueren der Brücken – ich hätte kaum gewusst, was ich damals gesehen habe. Ein Gefängnis, die Jameson Destille, einen Park mit Shakespeare-Aufführungen und Temple-Bar, die ich allerdings optisch nicht erinnerte, nicht einmal als ich mittendrin stand. So war Dublin damals und so war es jetzt. Anders war lediglich, dass ich aufgehört habe, über meine Reiseerlebnisse Tagebuch zu führen;  nur einige wenige Postkarten fanden einen Weg aus dem Land. Es gibt keinen Adressaten mehr, dem ich durch das Wort so nah sein wollte. Vielleicht gibt es sogar Adressaten die es verdienten, bei denen ich es wollte, doch keinen, bei dem ich meine Worte so gut aufgehoben geahnt hätte wie damals, keinen, von dem ich das Gefühl gehabt hätte, er würde es würdigen, wenn ich Seite um Seite in ruckeligen Bussen beschmiere, allein um des Gefühls willen, ihm in Gedankennähe zu kommen.

Das Internet war noch kein alltägliches Medium vor 10 Jahren, aber durchaus in Benutzung; es war jene Zeit, in der wir uns noch nicht zwischen Briefen und Emails entscheiden konnten, weil jedes Abrufen der virtuellen Post Geld kostete und die Suchtgefahr, sich ständig einzuwählen zu groß war im Hinblick auf die Geldbeutelbelastung. Unser schäbiges Hostel hatte bereits einen internetfähigen Rechner und Abend für Abend fütterte ich ihn mit Münzen, um die Worte des Adressaten lesen zu können. Es verging kein Tag ohne, ich hätte schon damals – wenn auch aus anderen Gründen – nur mit Mühe den Blick vom Emailpostfach abwenden können.

Als ich dieses Wochenende in Dublin war, war vieles meinem letzten Besuch ähnlich. Das Publeben blieb und wuchs in den Vordergrund, das Gefühl der Entspannung, die fremde Städte ausstrahlen, weil man auf Menschen trifft, die keine Alltagssorgen mit einem teilen, bereitete sich wie erhofft aus. Einst lernte ich Weltenbummler im Hostel kennen (oh, wie spannend diese Welt für mich war! Argentinier und Spanier hatte ich, frisch volljährig, bestimmt nie zuvor getroffen!), nun fühlte ich mich im Pub – nicht immer ohne Geringschätzung – wie beim Speeddating unter Norwegern und Finnen, Amerikanern, Iren, Deutschen, Spaniern und anderen, durchaus netten Unbekannten, so kurz waren die Zeiten, in denen man mit zwei Mädels allein bei Livemusik herumstehen konnte.  Beide Male hatte ich viel Spass, ohne Frage.

Die Erinnerung an Damals liess sich im Jetzt nicht ganz ausschalten. Was wohl aus meinem „Dublintagebuch“ geworden ist? Vermutlich hat dieses Heftlein voller Briefe und Notizen, voller Belanglosigkeiten und tiefen, emotionalen Aussprüchen kein gutes Schicksal ereilt. Es könnte im Altpapier gelandet sein oder einem der zahlreichen Umzüge zum Opfer gefallen sein, vielleicht ist es auch in Rauch aufgegangen.

Nicht, dass ich es allzusehr vermisst hätte… aber die Vergänglichkeit des Papiers, die Ernüchterung, dass auch die Sicherheit, sich an den rechten Adressaten zu wenden, vergänglich ist, hat mich diesmal davon abgehalten, mehr zu schreiben als ein halbes Dutzend knapper Postkarten. Der Austausch fehlt mir. Die Tatsache, dass Personen kommen und gehen, habe ich akzeptiert, aber die Erinnerung bleibt. Ich erinnere mich, dass ich mich einst in Dublin so gern an diesen Menschen erinnert habe, dass nur Worte meine Gedanken milderten. Das ist so lange her.

Fuck U or: People can be so disappointing.

Veröffentlicht: März 22, 2011 in Es missfällt mir., Musik, Persönliches
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Ich spreche zu mir:

Es ist warm in meiner Wohnung, ich trinke grünen Tee mit Kaktusfeige (ja, inzwischen echten, da habe ich in den letzten sieben Jahren durchaus Fortschritte gemacht), trage einen gemütlichen Fleece, es läuft mir sehr vertraute Musik und ich lungere auf meinem Sofa. Ein Krimi wartet auf mich oder Johnson, je nachdem, was der verschnupfte Kopf noch aufnimmt. Ich habe sehr lange gearbeitet und genauso viel erledigen können – ich bin mit meinem Tagewerk zufrieden, fühle mich ausgelastet, angenehm erschöpft, nicht gestresst. Die Mittagspause verbrachte ich in guter Gesellschaft und ich weiss, dass mir auch morgen vertraute Personen zur Seite stehen. Im Briefkasten lag eine Postkarte; eine kleine Sache mit enormer Wirkung. Eine Freundin dankte für meine Begleitung und ich bin ein wenig gerührt von der Alltagsferne dieser Geste. Der neue Schal, der meinen kratzenden Hals wärmt, gefällt mir. Ein bisschen wehmütig bin ich darüber, dass ich nicht ins Schwimmbad konnte, aber ich weiss inzwischen, dass es nicht die letzte Gelegenheit war. Zudem weiss ich, dass auch morgen wieder viel Arbeit auf mich wartet und eine Erkältung gerade sehr ungünstig ist, aber ich bin guter Dinge und ungewöhnlich motiviert bezüglich der anstehenden Aufgaben. Vielleicht schaue ich noch ein bisschen von dem gestern abgebrochenen Tatort, vielleicht auch nicht. Ich weiss, dass mein Telefon noch klingeln und eine Redeschwall mich überfallen wird. Walkers-Chips, die ich auf dem Flug zu mampfen vergass, könnten mir den Abend mit Erinnerungen an ein gutes Wochenende spicken.

Auf zwei, drei Dinge ist zu warten, aber die hetzen mich gedanklich nicht, die Situation lässt zu, auf meinem Sofa zu sitzen, und sich zu fragen:

Warum um alles in der Welt konnte ich mich mit dieser wunderbaren Alltagswelt nicht häufiger zufrieden geben? Man braucht nicht jede Facette des Internets und man braucht schon gar nicht jeden Menschen darin. Ich hoffe mich an die richtige Stelle zu wenden, wenn ich (auch) zu mir selbst spreche, den Browser nun schliesse und mich dem widme, was mir treu zur Seite steht: Echtes Papier und echte Freunde.

Soziophobie ist in gewisser Weise eben doch eine Lösung, bestenfalls höre ich mal auf mich selbst bei so klugen Ratschlägen.

Ich spreche zu Dir:

(Weil es so harmonisch klingt und ich auch mal vulgär sein möchte!)

Postkarten

Veröffentlicht: März 21, 2011 in Mir gefällt es.
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Als ich „kürzlich“ mal keine geeigneten Postkarten fand, habe ich mir Kleber gekauft. Postkarten braucht der Mensch.

Mein Engel.

Veröffentlicht: März 21, 2011 in Streetart
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Einstmals sah ich ihn bereits als Postkartenmotiv, ohne zu wissen, wo er ist. Es war nicht groß genug, es zu vergrößern, und nun lief ich einfach so durch Dublin und sehe ihn, an einer schäbigen Garagenwand.

Ist er nicht schön?

 

Engel in Dublin

Engel in Dublin

Dublin: Streetart mit Streetart.

Veröffentlicht: März 21, 2011 in Streetart

Kunst mit Kunst

Und im Gesamtzusammenhang:

Und noch gesamtiger:

Ich wurde ganz fies und gleich doppelt angefixt und plötzlich begegnen sie mir überall.

Dieses Lied hat sich derzeit in meinem Kopf eingebrannt, dabei ist der ohnehin viel zu voll…

In Anbetracht dessen, dass Thomas Glavinic Gast in der Stadt sein wird und unter der Selbsterkenntnis, dass ich es nicht ertrage, wenn meine Gesellschaft mehr gelesen hat als ich, stand ich – fast zufällig- am Wochenende vor Glavinics neustem Roman und dachte: Joa… – kaufste!

Auf dem Klappentext etwas von Whiskey und Koks, brutalen Morgen und einem verschanzten Typen, der sich einer virtuellen Internetgemeinde offenbart. Klingt exakt so, als müsste ich es dringend lesen. Das tat ich dann auch, nicht ohne mich an eine gute Kritik zu erinnern, die davon sprach, ein Meisterwerk Glavinics gefunden zu haben, ganz in der guten Tradition aktueller Momentaufnahmen, kritisch, zynisch, lustig.

Tja, all das vermisste ich etwas auf den kurzen 200 Seiten, die „Tom“ die Hörer zuquatscht. Immer wartend auf die Steigerung, auf ein Ende mit Grund oder zumindest eine Auflösung der enormen Gewaltandeutungen und Lisas Rätselhaftigkeit. Nix.

Vielleicht verstehe ich in den kurzen Absätzen unformatierter, ungehobelter Sprechsprache die Genialität des Autors einfach nicht zwischen all den Banalitäten. Vielleicht bin ich zwischen Flutopfern und Verstrahlten auch nicht mehr empfänglich für subtilste Gesellschaftskritik und kleine Anekdoten, aber so wie ich dieses Buch las, war es leider schlichtweg überflüssig. 17,90 Euro dafür, dass ich Monologe eines zugekoksten Trinkers höre (lese!), dessen Abgedrehtheit nicht genügt, um spannend zu sein.

Ein letzter Funken Hoffnung bleibt, dass der Zugang vorgelesen ein anderer ist, denn im Prinzip ist es eine gedruckte Dauerradiosendung. Gedruckt bewirkt es in mir genaugenommen gar nichts.

Schade, Herr Glavinic, aber ich werde Sie trotzdem anhören kommen.

Sehr treffend hat der Protagonist es auf den Punkt gebracht: „Das hört sich alles wieder so misanthropisch an. Ich bin keiner, ich bin kein Misantroph. Ich bin nur ein Leidender am Gesamtzustand der individuellen Unerträglichkeit.“

Dreamland

Veröffentlicht: März 11, 2011 in Persönliches
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Trügerisch dankbar beginnen jene Nächte, in denen der erlösende Schlaf nicht auf sich warten lässt. Das Tagewerk vollbracht, gar nicht mal so unzufrieden, vielleicht ein wenig zu aufgekratzt aber doch entspannt genug um einschlafen zu können, muss ich nicht lange warten, bis noch in der letzten Stunde des alten Tages die Lider schwer werden und die Gedanken, so denkt man, sich zur Ruhe betten.

Im Schlaf fehlt das Zeitgefühl, zum Glück, darum kann man wartende Zeit so gut verschlafen, denn sie verstreicht, ohne dass man etwas davon erfährt. Manchmal ist es aber auch anders herum: Man erwacht und es ist viel weniger Zeit vergangen als man annahm….

Es ist die Mitte der Nacht oder vielmehr: Nur ein Stündchen Dämmerschlaf brachten dem Körper das, wonach er schrie. Ein Stündchen nur, dann wälze ich mich – wachend?- herum und stelle fest: Ich bin nicht allein.

Wieder mal. Für besonders gastfreundlich halte ich mich nicht, aber auf meinen nächtlichen Besuch ist dann und wann verlass. Seine Definition von regelmäßig ist dehnbar; er hat mich schon lange nicht mehr besucht und nie zuvor in dieser Gestalt, aber so sahen wir uns heute Nacht wieder. Erwartungsgemäß.

Meine Verwunderung darüber, vermeintlich nicht allein zu sein ist schon gar nicht mehr so groß, wie der anfängliche Schock, die Bewegungsstarre, in die ich verfiehl, wenn eine mir wenig vertraute aber geschätzte Person plötzlich neben mir vermutet wird. Ich lerne – im Schlaf sozusagen – und weiss bereits, dass ein bisschen Egoismus erlaubt ist. Um mich nicht aufzuregen und weil es ohnehin viel zu spät ist meinen nächtlichen Besucher auf die Strasse zu setzen und weil ich es vermutlich auch gar nicht will, diskutiere ich still mit mir die Möglichkeiten aus, wie ich trotz der ungeplanten Gesellschaft sicherstellen kann, weiterschlafen zu können. Mein Besuch verhält sich bescheiden und rücksichtsvoll, er kann bleiben. Als hätte ich eine Wahl, treffe ich großtuerisch diese Entscheidung. Bleibt das Problem, dass ich nie an der Fensterseite schlafen kann, an der Türseite des Bettes aber die Bücher die Bettkante versperren. Die Idee, die Bücher umzuplatzieren kommt mir nicht, also diskutieren wir schweigend aus, dass ich weiterhin diagonal in meinem Bette liegen darf, der Gast fügt sich. Ein Unmensch will ich nicht sein, die Sonne dieser Woche hat mir schliesslich bewiesen, dass der Frühling nah ist, das Frieren nicht nötig, und großzügig trete ich eine meiner beiden Bettdecken nach rechts ab. Die Wärmflasche ist inzwischen kalt, mein Gemüt aber erhitzt genug. Wir haben uns arrangiert und ich schlafe wieder ein. Das deute ich als gutes Zeichen, denn erstmalig habe ich meinen Besuch akzeptiert, mit ihm interagiert und nicht die Nacht grübelnd und starr dargelegen um zu erörtern, woher er kommt. Er kommt, wenn er will, wenn ich es zulasse ungefragt und ist dann eben da. Er hat viele Namen, aber immer nur einen zur Zeit.

Ich schlafe, nicht fröstelnd, etwas beengt, kerzengrade auf meiner Bettseite, bis ich erwache. Es ist immer noch nicht Sarah Kane- Zeit („Umarmt sie die schönen Lügen – die chronische Unvernunft der Vernunft“), auch das Weckerklingeln  ist in weiter Ferne, mehr als 72 Minuten wache Klarheit werden mich plagen. Geisterstunde. Immer noch? Ich wundere mich nicht, hinterfrage es auch nicht, traue mich nur zum ersten Mal in meiner Traumhistorie dieser Begebenheiten mich zu meinem Mitschläfer umzudrehen, denn ich habe das Gefühl, er würde sich nicht stören lassen. Doch siehe da: Er ist weg. Ich bin allein.

Verdutzt und ungläubig stehe ich auf, unsicheren Schrittes torkeln meine müden Beine durch meine Wohnung, suchen, rufen den Namen, fragen sich, wie er mir, den ich nicht eingeladen hatte, nun ungebeten entschwinden konnte durch verriegelte Türen. Er ist nicht mehr da.

Plötzlich merke ich: Ich stehe in meinem Wohnzimmer. Es ist Mitternacht. Mein Bett ist verlassen. Die zweite Decke liegt fein säuberlich gefaltet auf der Fensterseite des Bettes. Ich bin allein. „[…]sofort ist mein Bewußtsein zur Stelle.[…] Aber mein Bewusstsein, nur durch eine dünne Wand getrennt, ist hellwach und kontrolliert mich. Während mein Körper schwankend durch die Morgendämmerung irrt, spürt er den Blick und den Atem meines Bewussteins ständig neben sich. Ich bin ein sich nach Schlaf sehnender Körper und ein Bewusstsein, das wach bleiben will.“ (Murakami – Schlaf)
Wenn ich eines inzwischen sicher weiss, dann ist es: Er wird wieder kommen und dann werde ich ihn fragen, warum er so plötzlich verschwand.

Wieder mal.

„Sexistische Kackscheiße“ entlockt mir ja immer mal wieder ein Schmunzeln, aber dass der mir eh fragwürdig erscheinende Weltfrauentag nun auch nur Frauenkampftag wird, ist mir nur mäßig sympathisch.

Sexistische Kackscheiße

Musil sprach:

Veröffentlicht: März 8, 2011 in Literatur

„Immer aber ist es so, daß das, was wir in einem Augenblick ungeteilt und ohne Fragen erleben, unverständlich und verwirrt wird, wenn wir es mit den Ketten der Gedanken zu unserem bleibenden Besitze fesseln wollen.“

Wo ich mein Rad anschliesse…

Veröffentlicht: März 1, 2011 in Mir gefällt es., Streetart
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Ein Laternenmast vor meinem Büro, passt farblich super zu meinem Fahrrad.