Ich spreche zu mir:
Es ist warm in meiner Wohnung, ich trinke grünen Tee mit Kaktusfeige (ja, inzwischen echten, da habe ich in den letzten sieben Jahren durchaus Fortschritte gemacht), trage einen gemütlichen Fleece, es läuft mir sehr vertraute Musik und ich lungere auf meinem Sofa. Ein Krimi wartet auf mich oder Johnson, je nachdem, was der verschnupfte Kopf noch aufnimmt. Ich habe sehr lange gearbeitet und genauso viel erledigen können – ich bin mit meinem Tagewerk zufrieden, fühle mich ausgelastet, angenehm erschöpft, nicht gestresst. Die Mittagspause verbrachte ich in guter Gesellschaft und ich weiss, dass mir auch morgen vertraute Personen zur Seite stehen. Im Briefkasten lag eine Postkarte; eine kleine Sache mit enormer Wirkung. Eine Freundin dankte für meine Begleitung und ich bin ein wenig gerührt von der Alltagsferne dieser Geste. Der neue Schal, der meinen kratzenden Hals wärmt, gefällt mir. Ein bisschen wehmütig bin ich darüber, dass ich nicht ins Schwimmbad konnte, aber ich weiss inzwischen, dass es nicht die letzte Gelegenheit war. Zudem weiss ich, dass auch morgen wieder viel Arbeit auf mich wartet und eine Erkältung gerade sehr ungünstig ist, aber ich bin guter Dinge und ungewöhnlich motiviert bezüglich der anstehenden Aufgaben. Vielleicht schaue ich noch ein bisschen von dem gestern abgebrochenen Tatort, vielleicht auch nicht. Ich weiss, dass mein Telefon noch klingeln und eine Redeschwall mich überfallen wird. Walkers-Chips, die ich auf dem Flug zu mampfen vergass, könnten mir den Abend mit Erinnerungen an ein gutes Wochenende spicken.
Auf zwei, drei Dinge ist zu warten, aber die hetzen mich gedanklich nicht, die Situation lässt zu, auf meinem Sofa zu sitzen, und sich zu fragen:
Warum um alles in der Welt konnte ich mich mit dieser wunderbaren Alltagswelt nicht häufiger zufrieden geben? Man braucht nicht jede Facette des Internets und man braucht schon gar nicht jeden Menschen darin. Ich hoffe mich an die richtige Stelle zu wenden, wenn ich (auch) zu mir selbst spreche, den Browser nun schliesse und mich dem widme, was mir treu zur Seite steht: Echtes Papier und echte Freunde.
Soziophobie ist in gewisser Weise eben doch eine Lösung, bestenfalls höre ich mal auf mich selbst bei so klugen Ratschlägen.
Ich spreche zu Dir:
(Weil es so harmonisch klingt und ich auch mal vulgär sein möchte!)
Dein Text berührt mich sehr. Ich lese ihn jetzt schon zum vierten Mal und nicke häftig mit dem Kopf, vor allem wenn ich den „Warum…“-Abschnitt lese.
Ich mag es, wie Du schreibst. Oft spüre ich aber auch die Wut hinter Deinen Worten. Dann würde ich mich gerne mit Dir hinsetzen und reden. Eben nicht per E-Mail oder Blog. Sondern wie echte Menschen. Ich glaube dann, dass wir uns gut verstehen würden!
Viele Grüsse in den sonnigen Tag
Dorota
Danke.