Archiv für August, 2011

Beim bösen Wolf…

Veröffentlicht: August 31, 2011 in Streetart

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ausgelesen: Juli Zeh – Schilf

Veröffentlicht: August 21, 2011 in Ausgelesen, Literatur, Uncategorized
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[Mentizid versucht (sich) zu bilden.]

Schilf findet sich eingeordnet in „Kriminalliteratur“, die es, betrachtet man den Plot, auch – irgendwie- verköpert. Es gibt einen Todesfall, einen Mörder, Verwirrungen und: Ermittler natürlich. Wer jedoch nur einen Krimi lesen möchte, dem sei von Schilf dringend abgeraten, da die einzige im Roman vorhandene Spannung nicht durch die Auflkärungsarbeit (man erfährt unmittelbar wer der Mörder ist und durchschaut meiner Meinung nach auch sehr schnell, wer der „wirkliche“ Täter ist) sondern durch die „großen Fragen der Menschheit“ erschaffen wird.

Sebastian, Familienvater und erfolgreicher Physiker, wird zu einem Mord aufgefordert, dessen Ausführung sein vermeintlich entführtes Kind zurückbringen soll. Das allein genügt an Worten, um die Rahmenhandlung zu schildern, die das Fundament aller Gedankenexperimente bietet. Wichtiger ist jedoch, dass zwei rennomierte Physiker sich den Fragen von Raum und Zeit, Veränderbarkeit der Geschichte, Willensfreiheit und ähnlichen elementaren Daseinsfragen wie Konkurrenz und Eifersucht stellen. Es geht aber auch um Gewissen und Moral im Kontext von Recht, Glaube und Beweis. All jene Fragen sind in der – zugegeben etwas utopischen, zumindest was den sehr ideellen Ausgang anbelangt – Handlung untergebracht und untrennbar miteinander verworren.

Freude von Metaphern und prosaischer Sprache finden in Zehs Roman bestimmt viele labende Stellen. Trotz raffinierter Inhaltsgestaltung, die man in der Komplexität erst einmal so allgemeinverständlich darbieten können muss, bleibt es ein „Dazwischen-Buch“. Es ist kein klassischer Krimi, es „tut“ physikalisch und ist doch in weiten Teilen psychologisch begründet und hat, leider, ein paar Längen sowie ein Ende, das selbst im Angesicht des Todes kaum folgenlose Polizeiarbeit genannt werden kann.

Seitenhieb:  Ich bin ein optisch fixierter Leser, das lässt sich bei der Buchauswahl leider nicht immer leugnen, und das Cover von Schilf als Taschenbuch gefällt mir, auch was den Bezug zum Inhalt in mehrfacher Hinsicht angeht, ausgesprochen gut. [Völlig daneben ist lediglich der Brigitte-Kommentar auf dem Cover, dass es „[…]nervenaufreibend[…] wie Hitchcocks Meisterwerk“ sei – Vögel sind nicht gleich Vögel!]

  Juli Zeh – Schilf. Btb Verlag, 2009. 383 Seiten.

<- hat in Sarah Kane geblättert.

Veröffentlicht: August 21, 2011 in Literatur, Mir gefällt es.
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Es ist doch immer dasselbe.

 

Auszug aus: Sarah Kane: 4.48 Psychose

Ich bin traurig

Ich hab das Gefühl, die Zukunft ist hoffnungslos, und es wird nie besser
Ich langweile mich und bin unzufrieden mit allem

Ich bin ein absoluter Versager als Mensch
Ich bin schuldig, ich werde bestraft

Ich möchte mich umbringen

Ich konnte mal weinen, jetzt bin ich jenseits der Tränen
Ich hab das Interesse verloren an anderen Menschen
Ich kann keine Entscheidungen treffen

Ich kann nicht essen
Ich kann nicht schlafen
Ich kann nicht denken

Ich komm nicht hinweg über meine Einsamkeit,
meine Angst,
meinen Ekel

Ich bin fett
Ich kann nicht schreiben
Ich kann nicht lieben

Mein Bruder stirbt, mein Geliebter stirbt, ich töte sie beide

Ich rase auf meinen Tod zu

Ich habe panische Angst vor den Medikamenten

Ich kann mit niemandem schlafen
Ich kann nicht ficken
Ich kann nicht allein sein
Ich kann nicht mit andern zusammen sein

Meine Hüften sind zu breit
Ich mag meine Genitalien nicht

Um 4 Uhr 48
wenn die Verzweiflung mich überkommt
werd ich mich aufhängen
im Ohr die Atemzüge meines Geliebten

Ich will nicht sterben
Sterblichkeit, dieser Fakt deprimiert mich so sehr, dass ich
beschlossen hab: Zeit zum Selbstmord

Ich will nicht leben

Ich bin eifersüchtig auf meinen Geliebten, der schläft, ich sehne
mich nach seiner ferngesteuerten Bewusstlosigkeit
Wenn er aufwacht, wird er mich beneiden um meine schlaflose
Nacht voller Gedanken und Reden ungetrübt von Medikamenten

Ich hab mich dem Tod überlassen in diesem Jahr

[Mentizid versucht (sich) zu bilden.]

Auf der Suche nach Spuren von Religion ist dieses dünne Büchlein mir vor allem durch den beschriebenen unaufdringlichen und mitunter gar nicht so  charmanten  Arbeitercharme des Ruhrpotts (man kann ruhig Pott sagen, denn es ist, als wühlt alles in einem großen Pott)  in Erinnerung geblieben. Es dauerte die halbe Geschichte, bis ich es zeitlich einordnen konnte, erst dann, mit diesem Wissen, liess ich mich auf die Geschichte ein, in der aus Perspektive eines 12jährigen berichtet wird, wie Mitewohnung, Arbeit unter Tage, minderjährige Verführungen und deren Konsequenzen, Familienalltag, Essen (wer isst schon noch Graupen? Herrlich!) und Kinderspiel zu einem Ganzen finden. Naiv und doch reflektiert.

Ein kurzes Büchlein (etwa 240 S.), daher auch einen Blick wert, wenngleich es ohne rasende Höhepunkte auskommen muss.

Ich las es, um zu erkennen, wie die kindliche Sozialisation natürlich im Katholizismus geschieht, obgleich der atheistischen Elterngeneration mit ganz anderen, sehr pragmatischen Sorgen – und das ist sehr bildhaft beschrieben – und natürlich nicht das Hauptthema im Roman.

Man weiss nicht so recht, warum man dieses Buch lesen sollte. Man weiss aber auch nicht, warum nicht.

Regen

Veröffentlicht: August 14, 2011 in Uncategorized

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So macht das keinen Spass.