Gelegentlich ist es ein großes Glück, wenn Du mit Menschen zusammen in einem Raum bist in dem Du Deine Jacke ausziehen musst und vor ihnen beim Jackenständer angelangt bist, wenn Du besagten Raum (oder das fremde Heim) wieder verlassen musst. Es ist furchtbar unangenehm, sich von jemandem in die Jacke helfen lassen zu müssen, der kleiner ist als man selbst oder sehr ungeübt darin. Natürlich ist es eine Frage dessen, wie weit ich meine Arme neige und wie weit ich vom Anziehhelfer entfernt stehe, aber es ist zudem erforderlich, dass der Behilfliche dem zu Helfenden soweit entgegen kommt, dass er die Höhe richtig abschätzt und mit der Jacke entsprechend in die richtige Richtung entgegen kommt. Wehe dem, wenn die Jacke sehr eng ist, das erschwert es unnötig.
Es gibt viele Menschen, die sich diese Geste der Höflichkeit nicht nehmen lassen wollen, obwohl sie völlig unbeholfen darin sind. Oder bin ich gar ein schlechter In-die-Jacke-Schlüpfer? Manchmal geschieht das auch unfreiwillig, denn es scheint ungleich schwerer, sich von jemandem kleineren oder gleichgroßen in die Jacke (oder von mir aus den Mantel) helfen zu lassen, als von einer größeren Person.
Gut erinnere ich mich noch an Zeiten, in denen es mir eine Qual war, meine Jacke nicht selbst anziehen zu dürfen, weil ich diese kleine Geste aus Unsicherheit und Angst vor Verlust der Selbstbestimmtheit (hilft mir jemand in die Jacke, wenn ich vielleicht noch gar nicht so weit bin, bestimmt er über meine Abgangszeit) gänzlich furchtbar fand und unbeholfen hoffte, dieser Moment möge schnell vergehen.
So geht es mir immer noch bei den oben genannten unbeholfenen Helfern, aber es geht mir zudem auch so, wenn ich nicht möchte, dass mir jemand nahe kommt. So banal es klingen darf, aber der Akt des Anziehen einer Jacke benötigt Vertrauen oder zumindest Sympathie, man wendet schliesslich jemandem den Rücken zu und lässt sich bei etwas helfen was man natürlich auch allein könnte. Wenn der Jackenreicher beispielsweise nicht den eigenen hygienischen Vorstellungen entspricht, möchte man ihm vielleicht nicht so nah sein, wie es beim vernünftigen anziehen einer Jacke erforderlich ist.
Inzwischen habe ich die Erfahrung gemacht, dass es auch schlichtweg eine nette Geste sein kann, was allerdings ein bischen Aufmerksamkeit des Gegenübers erfordert. Um nicht zu bevormunden gehört der gescheite Augenblick abgepasst (also kurz bevor ich es selbst täte und keine zwei wartenden Minuten mit geöffneter Jacke, die einem das Gefühl vermitteln zu langsam zu sein), es schickt sich nicht, gleich zu nahe zu treten und ein stummes Anreichen genügt völlig. Mir zumindest.
Dann, ja dann mag ich das.
Eine Perfektionierung der Jackenanreichung, wenngleich schon fast ein intimer Akt, der aber, wenn zugelassen durch obige Bedingungen, sehr angenehm sein kann, ist die Steigerung der Aufmerksamkeit, wenn die Anziehhilfe bemerkt, dass die Haare sich unter die Jacke schieben und dieses zu verhindern weiss, indem er sie rechtzeitig herausnimmt oder ihnen rechtzeitig zur Seite hilft – ohne dass man das Gefühl hat, einen großen Haarverlust zu erleiden. Großartige Kunst. Haare gehören nunmal nicht in die Jacke!
Nennt mich altmodisch, aber ich war begeistert! Mir gefällt es, obwohl ich mir dennoch meistens am liebsten selbst in die Jacke helfe – nach wie vor!