Mit ‘Krimi’ getaggte Beiträge

ausgelesen: Juli Zeh – Schilf

Veröffentlicht: August 21, 2011 in Ausgelesen, Literatur, Uncategorized
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[Mentizid versucht (sich) zu bilden.]

Schilf findet sich eingeordnet in „Kriminalliteratur“, die es, betrachtet man den Plot, auch – irgendwie- verköpert. Es gibt einen Todesfall, einen Mörder, Verwirrungen und: Ermittler natürlich. Wer jedoch nur einen Krimi lesen möchte, dem sei von Schilf dringend abgeraten, da die einzige im Roman vorhandene Spannung nicht durch die Auflkärungsarbeit (man erfährt unmittelbar wer der Mörder ist und durchschaut meiner Meinung nach auch sehr schnell, wer der „wirkliche“ Täter ist) sondern durch die „großen Fragen der Menschheit“ erschaffen wird.

Sebastian, Familienvater und erfolgreicher Physiker, wird zu einem Mord aufgefordert, dessen Ausführung sein vermeintlich entführtes Kind zurückbringen soll. Das allein genügt an Worten, um die Rahmenhandlung zu schildern, die das Fundament aller Gedankenexperimente bietet. Wichtiger ist jedoch, dass zwei rennomierte Physiker sich den Fragen von Raum und Zeit, Veränderbarkeit der Geschichte, Willensfreiheit und ähnlichen elementaren Daseinsfragen wie Konkurrenz und Eifersucht stellen. Es geht aber auch um Gewissen und Moral im Kontext von Recht, Glaube und Beweis. All jene Fragen sind in der – zugegeben etwas utopischen, zumindest was den sehr ideellen Ausgang anbelangt – Handlung untergebracht und untrennbar miteinander verworren.

Freude von Metaphern und prosaischer Sprache finden in Zehs Roman bestimmt viele labende Stellen. Trotz raffinierter Inhaltsgestaltung, die man in der Komplexität erst einmal so allgemeinverständlich darbieten können muss, bleibt es ein „Dazwischen-Buch“. Es ist kein klassischer Krimi, es „tut“ physikalisch und ist doch in weiten Teilen psychologisch begründet und hat, leider, ein paar Längen sowie ein Ende, das selbst im Angesicht des Todes kaum folgenlose Polizeiarbeit genannt werden kann.

Seitenhieb:  Ich bin ein optisch fixierter Leser, das lässt sich bei der Buchauswahl leider nicht immer leugnen, und das Cover von Schilf als Taschenbuch gefällt mir, auch was den Bezug zum Inhalt in mehrfacher Hinsicht angeht, ausgesprochen gut. [Völlig daneben ist lediglich der Brigitte-Kommentar auf dem Cover, dass es „[…]nervenaufreibend[…] wie Hitchcocks Meisterwerk“ sei – Vögel sind nicht gleich Vögel!]

  Juli Zeh – Schilf. Btb Verlag, 2009. 383 Seiten.

„Erlösung“ von Jussi Adler Olsen ist da. Um welche Art der Erlösung es gehen wird, dämmert mir nach rund 100 Seiten erst düster, aber meine Erlösung ist es.

Zum ersten Mal habe ich die Funktion der Vorbestellung durch Amazon in Anspruch genommen und mich gefreut, als die Versandmitteilung, eher als erwartet, ins Postfach flatterte. Obschon ich zwei andere Bücher angelesen hatte, mussten sie sich damit begnügen, auf die „Warteliste“ gesetzt zu werden. Olsen hat Vorrang.

Wenn ich Assad, den aufdringlichen Assistenten des winzigen Sonderdezernates, zu Beginn noch schrullig-anstrengend fand, freue ich mich nun im dritten Roman bereits über das Wiedersehen. Alltägliche Migrationsprobleme, gepaart mit pragmatischem Geist erzeugt einen angenehmen, in der Person liegenden, Witz! Gut, dass bald Wochenende ist. Dann werde ich mir die Erlösung geben (und mich doch wieder ärgern, dass dann zunächst wieder „stopp“ ist…).

Ausgelesen: Johann Theorin – Nebelsturm

Veröffentlicht: März 27, 2011 in Ausgelesen, Literatur
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„Das war ja wohl nicht nötig“, würde ich normalerweise nach solchem Buch denken, passte es nicht prima in einen Kanon von schwedischen Krimis, mit dem ich mich einst befasste.
Ein Krimi ohne klassisch ermittelnde Hauptperson, mit vielen losen Enden, die alle an den Aufklärung mitwirken, allerdings aus verschiedenen Gründen. Einsame Höfe, Großstädter mit Landflucht bringen urbane Probleme in die Einöde, Inhalte austauschbar.

Einzig eine spirituelle Vielfalt machte das Buch lesenswert für mich. Opfermoore, Totengedenken, Yoga, Geister, Wiedergänger, Bestattungen, Riten, Satanisten und Esoterik vieler Formen im ach so säkularen Schweden. Ein bisschen unter der zynischen Prämisse der Tristesse der Insel finden sich zahlreiche religiöse Anflüge auf den knapp 450 Seiten. Leider konnte ich die  wüste Reihung wenig ernst nehmen, es wirkt eher verkaufsorientiert als bedacht, wie stark diese Phänomen eingestreut sind – leider. Da hätte man weniger übertrieben sicherlich mehr erreicht.

Eigentlich ist es ein ganz geschickter Schachzug, dass es im Laufe der Geschichte (und der Geschichte in der Geschichte) zahlreiche Tote gibt, aber augenscheinlich keine Morde und zahlreiche Interessierte aber kaum Ermittelnde und letztlich alles herauskommt, ohne dass man diese Aufklärung gesucht hat. Eigentlich ist es auch ganz spannend, Trauer und Einsamkeit mittels religiösen und psychischen Begebenheiten (oder deren Verwirrungen) zu erklären, würde es nicht im Ansatz stecken bleiben. Eigentlich könnte es ein besseres Buch sein.