Mit ‘Sex’ getaggte Beiträge

Einsamkeit und Sex und Mitleid.

Einsamkeit.Und.Sex.Und.Mitleid. Völlig klar und ähnlich deutlich wie:  „Ich geb Dir 100 Euro, wenn ich Dich lecken darf.“ So ist Krausser in diesem Werk, klar, deutlich, fordernd und schonungslos deskriptiv.

Mal ganz ehrlich, allein der Titel des Buches hat es verdient, gekauft zu werden und ganz sicher geschah die Kaufentscheidung nicht zuletzt deswegen. Krausser ist mir in „Eros“ in Erscheinung getreten und hat mittels der „Schmerznovelle“ meine Aufmerksamkeit erfahren, so dass es wenig Überwindung kostete, diesen Roman in die Hand zu nehmen. „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ erzählt viele Geschichten unterschiedlicher Figuren in Berlin, die alle auf ihre Art allzu bekannt sind. Kneipenbedienungen und Trinker, Jugendliche, Migranten, Callboys,  Frauen in der Midlifecrisis – der klassische Querschnitt der gesellschaftsnahen Randgruppen mit kleinen aber doch nicht existenzbedrohenden Problemen.

Jede Geschichte beginnt für sich, bis es im Verlauf des Romans immer mehr Berührungspunkte der Akteure gibt, man trifft sich, zufällig oder auch nicht, interagiert, oder auch nicht. Ein bisschen erinnerte die Struktur mich an Kehlmanns Ruhm, nur sind die Berührungspunkte häufiger, die Geschichten anders und der Handlungsort ausschließlich Berlin (möglch, dass der Berliner sich daran sehr erfreuen kann, mir scheinen die zuordnungen nicht beliebig).

Was das Buch lesenswert macht, ist die Natürlichkeit der Macken und Manien der Protagonisten, die alle ein bisschen „durch“ sind, aber eben lebensfähig durch.  Versprechen werden gemacht, manche sogar eingehalten. Wenn man schreibt, dass es um Beziehungsprobleme, Sex, Alkohol, Freundschaft und Liebeskummer geht, klingt das zu banal um dem lockeren aber nicht läppischen Inhalt gerecht zu werden. Es ist ein bisschen rührend, ein bisschen komisch und ein wenig spiegelnd.

Ach, ich mochte es. Punkt.

oder: Was krasser klingt, als es sich darstellt.

Ein Buch, welches – wenn auch nur im Innenbereich und nicht auf dem Buchdeckel – den Untertitel „Skandinavische Misanthropie III“ trägt, animiert mich zum Lesen, selbst wenn das Cover unansehnlich pink-grau daherkommt.

Ein Buch, welches aus der Serie „Heyne Hardcore“ stammt, lockt mein Interesse: So etwas gibt es? War mir neu, verdient vielleicht aber eine nähere Betrachtung (merken!). Ein Rezensionsschnipsel auf dem Cover spricht von harter Darstellung von „Gewalt, Drogen und Sex“. Kein Problem soweit, ich lese gern derbere Romane, habe kein Problem mit „Junger Literatur“ und war neugierig.

Die ersten Seiten bestätigen meine durch diese kurzen Fetzen geweckten Erwartungen. Eine junge Afrikanerin, ihr kluger aber gewalttätiger Bodybuildernorweger, Sex. Alles – das allein ist nicht ganz gewöhnlich – aus der (negativen) Selbstsicht der Frau:  „Der Frau wird die Möglichkeit verwehrt, das wirklich Private zu bewahren, solange sie einen Schlitz zwischen den Beinen hat, in den Männer hineinstoßen, weil sie sowohl mental als auch physisch dazu geschaffen sind.“ (S.15). Rollenverteilung klar? Wenn nicht, nochmal: „Sie [die Frauen] sind durch die Art, wie sie geschaffen sind, definiert; das Loch, das gleichzusetzen ist mit dem Eingang, und der Geschlechtsverkehr – der entscheidende Akt des Lebens – haben Konsequenzen, die innerlich sind, nicht sozial aufgezwungen.“ (S. 16). Diese Definition, physisch, biologischer Art, ist auch schon fast das spannendste, was der Roman mir zu bieten hat. Eine körperbauliche Sexualdefinition zu Lasten der Frau – warum nicht. Den einzigen akzeptablen Sex im Roman hat die Protagonistin mit einer Frau, alle anderen Akte deuten sich als Vergewaltigungen oder von anderen zerstört an.

Die eigentliche Geschichte handelt von der Frau und ihrem Mann, oder besser Ex-Mann, ihren zwei oder vielleicht drei problembehafteten Söhnen und der Leidenschaft der Männer bezogen auf Splatterfilme und Egoshooter. Die eigentliche Handlung lässt mich kalt; wären nicht dann und wann Anklänge schwarzer Menschen in der weißen, norwegischen Gesellschaft zu erkennen, die drastisch aber mitunter nachvollziehbar beschrieben werden, hätte ich das Buch längst weggelegt.

Die Sprache ist einfach, oft wie gedacht oder gesprochen und bildet dadurch den entscheidenden Reiz zum Nachvollziehen, sie hilft, es authentisch wirken zu lassen. Die angekündigten Drogen ( in Pillen- oder vielleicht Snus-Form?, gelegentlich wird auch gesoffen) spielen keine tragende Rolle (quasi: ist halt so…)  und in Gewalt gipfelt eigentlich alles. Ist man abgestumpft genug um die Schilderungen nur überfliegen zu können? Irhgendwie schon. Prügel, Vergewaltigung, Demütigung sind hier keine Anschauugsobjekte für Voyeure sondern Alltag der Handelnden und daher auch nebensächlich in ihrem Vorkommem. Das würde ich definitiv als Stärke des Romans sehen, denn er versucht nicht kramfphaft „übel“ zu sein – übel ist, dass solche Menschenverachtung (denn niemand schätzt andere als sich selbst wert) zum Alltag werden kann. Alte Muster bestimmen das Ende, befriedigend ist es aber für niemanden.

Ein paar schöne Sätze bot das Buch unabhängig von der computerspielaffinen Handlung. Mein liebster, zeitloser Satz ist:

Genau wie die Japaner ein Wort für Frauen haben, die von hinten gut aussehen, aber nicht von vorn, sollte es ein Wort geben für Leute, die klug aussehen, es aber nicht sind. “ (S. 51)

Mathis Faldbakken: Unfun

Heyne Hardcore, 2010

270 Seiten